Text: Kurt Henauer, Bieler Tagblatt
Wer mit der 33-jährigen Celine van Till am Tisch sitzt und ein Gespräch führt, merkt kaum, dass sie behindert ist. Steht sie auf, sieht man, dass Koordination und Gleichgewicht nicht ganz stimmen. Der Grund ist ein Unfall beim Reiten am 30. Juni 2008 in Deutschland. Das Pferd fiel auf Celine van Till, die als 17- Jährige im Junioren-Dressur-Kader war. Auf einen Schlag wurde es schwarz vor ihren Augen. Vier Wochen war sie im Koma und lag monatelang im Spital. Sie musste wieder lernen zu leben, so wie ein neugeborenes Kind. Nach dem Unfall, bei dem sie ein schweres Schädel- Hirn-Trauma erlitten hatte, war sie im Rollstuhl, mit Lähmungen an Armen und Beinen, sehbehindert, koordinativ und mit dem Gleichgewicht eingeschränkt, hatte Spasmen.
Schritt für Schritt
Celine van Till hat sich wieder ins Leben zurückgekämpft. Sie wollte zum Unfall alles wissen. Den Zeitpunkt vom Unfall zurück ins (Sportlerinnen-)Leben hat sie in einem Buch beschrieben, «Pas à pas» (Schritt für Schritt) lautet der französische Titel. Vier Monate nach dem Unfall sass sie wieder auf einem Pferd. Sie begann ein Studium, stieg ins Berufsleben ein, nahm 2016 an den Paralympics in Rio de Janeiro im Reiten teil.
«Für mich ist wichtig, dass ich anderen helfen kann», sagt Celine van Till, die nach Rio 2016 zur Leichtathletik gefunden hatte. Sie war Ambassadorin eines Laufprojekts und trainierte so lange, bis sie selbst zehn Kilometer schaffte. Das war für sie die Wende zur Leichtathletik, aber im Sprint. «2018 war ich als Para-Leichtathletin zum ersten Mal in Magglingen», blickt sie zurück. Auf dem Weg an die Paralympics 2021 in Tokio fiel sie beim Training auf der Bahn auf den Kopf. Danach war der Sport vier Monate lang für sie kein Thema mehr. «Ich machte Gesundheitssport, aber der Leistungssport ist tief in meiner Seele verankert», sagt sie. Nachdem sie in Genf einen Triathlon mit einem Liegevelo bestritten hatte, wollte sie mit einem Stehend-Dreiradvelo Triathlon bestreiten. «Das gibt es aber im Parasport nicht», so Van Till. So versuchte sie sich im November 2021 im Tissot Velodrome in Grenchen auf einem Tandem. Da fiel ihr Leistungsvermögen dem Paracycling-Nationaltrainer Dany Hirs auf. «Er hat mir gesagt, ich solle es auf dem Dreirad versuchen, ich hätte gute Chancen», sagt die Genferin. Anfang 2022 stieg sie erstmals auf ein Dreirad und gewann im selben Jahr sowie 2023 und 2024 in ihrer Kategorie den Weltcup.
Ende Oktober 2023 rückte sie in die Spitzensport-RS in Magglingen ein, nachdem sie in Glasgow Weltmeisterin im Zeitfahren und Zweite im Strassenrennen geworden war. So konnte sie endlich Militärdienst leisten. Ins Militär zu gehen, war schon früher ihre Absicht. Warum? «Weil das ein Dienst am Vaterland ist und es mir einen Sinn im Leben gibt», so die Genfer FDP-Grossrätin. «Ich erfülle auch diese Mission als Politikerin und Mitglied in Vereinigungen für Handicap und Sport», bringt sie es auf den Punkt.
Zum ganzen Artikel im Bieler Tagblatt: Sie gibt nie auf
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