Aufgewachsen ist Bastien im Greyezerland in der Nähe von Bulle. Seit er denken kann, spielt der Sport in seinem Leben eine bedeutende Rolle. Fussball, Volleyball, Turnen und Ski prägten seine frühe Kindheit und es war der Skisport, der ihn fortan begleiten sollte. Früh begann er, auf lokaler und regionaler Ebene Rennen zu fahren, feierte rasch Erfolge und wechselte im Alter von 15 Jahren schliesslich in die Sportschule des Gymnasiums von Brig, um seine sportlichen Ambitionen fortan ideal mit seiner akademischen Ausbildung kombinieren zu können. Er träumte von künftigen WM- und Olympiateilnahmen, näherte sich diesen Zielen, als eine Verletzung die Weichen neu stellte.
Bastien fiel einen ganzen Sommer lang aus, verlor den Anschluss, kehrte zurück und musste dennoch anerkennen, dass sein Ziel einer Karriere auf Weltniveau wohl ein Traum bleiben würde. Keine einfache Erkenntnis für einen 19-Jährigen noch dazu, wenn dieser seit seinem zweiten Lebensjahr immer auf den Ski gestanden hatte. Bastien fiel in ein Loch, war frustriert und verlor die Freude an jener Sportart, in die er so viel investiert hatte. Aus Neugier und um den Spass am Skisport wiederzufinden, versuchte er sich zu jener Zeit im Skicross und war sofort erfolgreich. Nicht nur einmal, sondern jedes Mal, wenn er im Wettkampf mit seinen Konkurrenten und Freunden die Piste hinunter brauste. Der Spass kehrte zurück und mit ihm die Vision, sein Ziel, eines Tages die Schweiz an internationalen Grossveranstaltungen vertreten zu dürfen.
Rasch fand er sich in den Förderkadern von Swiss-Ski wieder, machte im Rahmen nationaler Rennen und im Europacup Fortschritte und war auf gutem Weg, sich der Weltspitze zu nähern. Doch dann kam der 31. Juli 2018, ein heisser Sommertag, an dem sich Bastien am Lac de Géronde in Sierre befand, einem See, den er sehr gut kannte und er dennoch eine folgenschwere Entscheidung traf. Um sich abzukühlen, sprang er ins kühle Nass, kopfvoran und spontan, wie das seinem Typ entsprach. «Ich kenne den See wirklich sehr gut, bin bestimmt schon 100-mal so ins Wasser gesprungen, aber an diesem Tag war alles anders», erzählt der Fribourger. «Ich prallte mit dem Kopf auf eine untiefe Stelle und spürte sofort, dass etwas nicht stimmte. Ich spürte meine Beine zwar noch ein bisschen, konnte sie aber nicht mehr bewegen.»
Bastien war querschnittgelähmt. Vom 7. Halswirbel an abwärts. Von einer Sekunde auf die andere. Auch wenn – oder vielleicht, auch weil - er an die Stunden unmittelbar vor und nach dem Unfall kaum noch Erinnerungen hat, nahm er sein Schicksal bewundernswert schnell an: «Ich wusste, ich war gelähmt. Als ich nach der OP im Spital wieder zu mir kam, begann für mich ein neues Leben, es war fast schon wie eine Wiedergeburt. Für mich war das der Tag Null meines zweiten Lebens. Daran, dass dieses ohne Sport verlaufen könnte, dachte ich keine Sekunde.»
Mut machte Bastien unter anderem, dass ihm die Ärzte bestätigten, dass sein Rückenmark beim Unfall nicht komplett durchtrennt worden war. Somit besteht eine Chance, seine physischen Fähigkeiten zumindest teilweise wieder zurückzuerlangen. «Das war für mich enorm wichtig, ein richtiger Kick und eine Perspektive, die mir sowohl während meiner zehnmonatigen Rehaphase in der SUVA Clinic Romande de Réadaptation in Sion als seitdem auch im Alltag sehr viel Motivation und Stärke gegeben hat. Und - ich habe mich seit meinem Unfall entwickelt, habe Fähigkeiten wiedererlangt, die mir nicht nur viel bedeuten, sondern mir ganz real auch im Umgang mit dem Rollstuhl helfen. Es mag verrückt klingen, aber nur schon 5 Prozent meiner früheren Fähigkeiten zurückzugewinnen, ermöglicht mir vieles.»
Ebenfalls geholfen hat Bastien die Perspektive, eines Tages wieder Sport treiben zu können. Anfänglich stand für ihn das Bedürfnis im Vordergrund, einfach wieder die Sportarten auszuüben, welchen er vor seinem Unfall frönte, wie z.B. Biken oder natürlich Skifahren. Dann kehrte mit der Zeit der Appetit auf Wettkämpfe zurück. Bastien versuchte es zu Beginn auf Einladung des damaligen PluSport-Nationaltrainers wieder beim Skifahren, merkte aber, dass diese Welt aufgrund seiner Vorgeschichte für ihn nicht mehr die Richtige war. Schwimmen schien ihm besser geeignet und so nahm dieses Mal er den Kontakt zu PluSport Behindertensport Schweiz auf. «Für mich stand im Vordergrund, eine Sportart zu finden, in der ich mich über meine eigene Leistungsfähigkeit, ohne jegliche technische Hilfsmittel, mit anderen messen konnte», so der 27-Jährige. Und Schwimmen erfüllte diese Voraussetzung perfekt.
«Es ist allerdings sehr anstrengend, auch wenn ich mich im Wasser sehr wohlfühle», sagt der Neo-Leistungsschwimmer schmunzelnd. «Speziell im Wettkampf, etwas weniger im Training, aber ich möchte es keine Sekunde missen. Es ist genau das, was ich mir gewünscht habe, und es macht mir viel Spass, mich als Schwimmer zu verbessern.» Aktuell tut er dies sechs- bis siebenmal pro Woche, wovon zwei Einheiten unter der Obhut von PluSport-Nationaltrainer Martin Salmigkeit in Stettlen (BE) stattfinden. Die übrigen vier bis fünf Trainings absolviert er allein. Hinzu kommen Krafteinheiten, Physiotherapie sowie eine 50 Prozent-Stelle bei Swiss-Ski. Seine Tage sind ausgefüllt und Bastien betreibt nicht weniger Aufwand, um im Sport voranzukommen, als vor seinem Unfall. «Auch im Para-Sport sind die Anforderung hoch und steigen stetig, wenn man es an die Weltspitze schaffen möchte – und das möchte ich», so Murith bestimmt.
Sein Traum, sich an Weltmeisterschaften und Paralympischen Spielen mit den Besten zu messen, lebt nach wie vor. «Der Para-Sport hat mir die Möglichkeit gegeben, meinen Traum von einer Sportkarriere noch nicht begraben zu müssen. Dafür bin ich sehr dankbar.» Möglicherweise wird er die Schweiz schon nächsten Sommer an der Para-Schwimm-WM in Manchester (31. Juli 6. August) ein erstes Mal vertreten dürfen.
Erschienen am 24.12.22 in
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