Paralympics 2026

Zwischen «Italienischem Spirit» und pragmatischer Professionalität

In weniger als 100 Tagen fällt der Startschuss für die paralympischen Spiele in Milano-Cortina. Doch bevor sich die besten Para-Sportler:innen ab dem 6. März 2026 bei den Paralympischen Winterspielen in Milano-Cortina messen, finden bis zwei Wochen davor die Olympischen Spiele statt. Die vorhandene Infrastruktur wird zu einem Grossteil wiederverwendet, muss jedoch auf die Bedürfnisse der Para-Sportler:innen abgestimmt und umgebaut werden. Die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren – sowohl vor Ort als auch bei Tom Reulein, der neben seiner Tätigkeit als Leiter Spitzensport bei PluSport das Schweizer Parasport-Team als Chef de Mission das Schweizer Parasport-Team nach Italien führen wird.

Die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren – sowohl vor Ort als auch bei Tom Reulein, der neben seiner Tätigkeit als Leiter Spitzensport bei PluSport die Schweizer Delegation als Chef de Mission nach Italien führen wird.

Bereits im Oktober reiste Tom mit seinem Leitungsteam von Swiss Paralympic nach Italien, um sich ein Bild von den Austragungsorten der Paralympics zu machen. Sein Fazit: «Die wichtigsten Infrastrukturen standen schon damals, das Olympische bzw. Paralympische Dorf bestehend aus 400 Bungalows, war bereits komplett aufgebaut. An den beiden zentralen Gebäude, in denen sich künftig medizinische Einrichtungen, Meetingräume oder soziale Begegnungszonen für die Athlet:innen befinden, wurde noch am Innenausbau gearbeitet. Eine kleine Baustelle gibt es noch am Snowboardlift, der aktuell auf eine grössere Gondelkapazität umgerüstet wird.» 

Alles auf Kurs also, mit einem kleinen Schönheitsfehler: Ein zentrales Thema der Vorbereitungen war die Bobbahn. Diese ist für die Paralympischen Bewerbe zwar irrelevant, jedoch eine logistische Grossbaustelle, die Ressourcen bindet. Deutlich beruhigender für das Schweizer Team: Die einst einspurigen Zufahrtsstrassen zu den Sportstätten wurden mittlerweile zweispurig ausgebaut.

Barrierefreiheit von Anfang an mitgedacht

Eine von Beginn an barrierefreie Planung der Unterkünfte und Sportstätten ist laut Tom essenziell, das zeigt sich auch in Milano-Cortina, wo vieles von vornherein berücksichtigt wurde. «Bei den Bungalows ist jeweils eine Wohneinheit pro Haus rollstuhlgerecht. Das heisst, die Räume sind grösser, der Zugang zur Dusche ist frontal und das Bad ist entsprechend angepasst,» so Tom.

Auch in den mehrstöckigen Gebäuden im Olympischen bzw. Paralympischen Dorf wurde an Rollstuhlnutzer:innen gedacht: Aufzüge mit passenden Türmassen sowie ausreichend Bewegungsfläche wurden von Anfang an eingeplant. Zudem bringt ein spezielles Transportsystem Athlet:innen und Betreuer:innen direkt von den Unterkünften zu den Wettkampfstätten.

Feinheiten und Fragezeichen

Ein Punkt, der Tom und seinem Team bei der Besichtigung auffiel, war der Speisesaal, der in seinen Augen etwas klein ausfällt, vor allem «wenn man bedenkt, dass dort auch mehrere Rollstuhlfahrer:innen gleichzeitig Platz finden müssen».

Auch organisatorisch sieht er punktuelle Unsicherheiten, etwa bei Details der Wettkampfdurchführung, die für Athlet:innen mit Behinderungen spezifisch sind: «Wir hatten zum Beispiel die Frage: Unsere Monoskifahrer kommen mit dem Rollstuhl zum Start: Wer bringt wie den Rollstuhl dann ins Ziel? Eine genaue Antwort haben wir noch nicht, aber wir sind sicher, dass sich dieses Problem lösen wird.»

«Italienischer Spirit» und pragmatische Professionalität

Zwischen den Olympischen und den Paralympischen Spielen liegen gerade einmal zwei Wochen. Auch wenn grosse infrastrukturelle Änderungen nicht zu erwarten sind, stehen die Organisatoren in dieser Zeitspanne vor einer grossen Herausforderung. Tom: «Der grosse Aufwand liegt nicht bei der Barrierefreiheit, sondern beim ‚Look of the Games‘, also beim Branding. Alle Logos, Banner, Piktogramme und Farbkonzepte müssen ausgetauscht werden! Das bedeutet viel Arbeit für viele Leute.»

Pläne vs. Lösungen

Auf die Frage, was man generell vom italienischen Organisationsstil erwarten kann, antwortet Tom mit einem Augenzwinkern: «Die Italiener wollen und werden abliefern». Selbst wenn es momentan noch den einen oder anderen blinden Fleck gibt, muss man bedenken, dass die Teams aus erfahrenen Leuten vom IOC (Internationalen Olympischen Komitee) und IPC (Internationalen Olympischen Komitee). Sein Vergleich mit früheren Spielen bringt es auf den Punkt: «In Rio hatten sie keine Pläne, aber immer eine Lösung. In Japan war es umgekehrt: Dort hatten wir viele Pläne, aber oft keine Lösung. In Italien werden wir wohl irgendwo dazwischen sein.»

Ab dem 27. Februar reist das Leitungsteam nach Italien. Eine Woche später folgt das restliche Team. Dann beginnt vor Ort die finale Vorbereitung für die Spiele – mit viel Organisation, Flexibilität und einem Hauch italienischer Improvisationskunst.

«Wir wollen die Schweiz stolz machen!»

Tom Reulein, Leiter Leistungssport und Chef de Mission
 

Fotos: Goran Basic / Swiss Paralympic