Tête-à-Tête
Beatrice Wertli im Gespräch mit PluSport
Beatrice Wertli ist seit März 2021 die neue Direktorin des Schweizerischen Turnverbands (STV)
Wie sind Sie in Ihrer neuen Funktion gestartet?
Der Start war sehr sportlich, eine Aufwärmzeit hatte ich nicht. Ich bin quasi direkt in den Wettkampf eingestiegen.
Der Schweizerische Turnverband stand zuletzt stark in der Kritik, es kam zu personellen Veränderungen an der Spitze des Verbandes. Keine einfache Ausgangslage …
Es war klar, dass es Veränderungen braucht und es war klar, dass ich das anpacken muss. Meine grösste Motivation aber – und wieso ich mich überhaupt auf diese Stelle beworben habe – ist, dass der Schweizerische Turnverband ein ganz toller Verband ist. Ich bin klar der Meinung, dass es eine Chance ist, mehr darüber zu sprechen, was der Turnverband alles gut macht.
Nehmen wir unser neues Werteversprechen: «Wir ermöglichen schweizweit Sport, Bewegung und Erlebnisse für alle, um Gemeinschaft und Wohlergehen zu schaffen.» Nach meinem Schnell- oder sagen wir eher Kaltstart, bin ich sehr stolz, dass ich diese Werte leben und umsetzen darf – auch für PluSport. Die inklusive Art von Sport und Bewegung im Turnverein, wo es für jede und jeden Platz gibt, unabhängig von Alter, körperlicher Verfassung oder Behinderung, deckt sich sehr gut mit der Philosophie von PluSport.
Welche Aufgaben stehen im Vordergrund?
Eigentlich ist alles gleichermassen wichtig. Aber wir müssen Prioritäten setzen und Dringliches zuerst erleiden. Wir müssen die Corona-Krise aufarbeiten. Das heisst zum Beispiel etliche Gesuche bearbeiten, das Ausmass des Schadens formulieren und vieles mehr. Zum Glück haben auch wir vom Stabilisierungspaket des Bundes profitiert. Denn es gibt sehr viele Vereine, die unter der Krise leiden.
Eine weitere Aufgabe ist die grosse strukturelle Veränderung, die wir angehen. Sport unter einem Dach, um Synergien besser zu nutzen und nicht Spitzen- gegen den Breitensport ausspielen. Und der dritte Punkt ist die Aufarbeitung der Vergangenheit. Man könnte es fast mit «back to the future» umschreiben, sprich es ist wichtig, aus der Vergangenheit zu lernen, um die Zukunft zu bauen. Daraus entstehen im Moment zahlreiche neue Projekte und Aufgaben: seit dem 1. Januar arbeitet die Ethik-Kommission, und soeben haben wir eine neue Stelle ausgeschrieben «Ethik und Recht.» Wir befinden uns quasi mitten in einem Kulturwandel.
Für mich persönlich hat zudem schon in der zweiten Woche eine Tour de Suisse angefangen. Ich besuche die Kantonalverbände, die RLZ, nehme an Anlässen teil, bin in vielen Gesprächen und höre und sehe von zahlreichen Herausforderungen. Diese sind von Kanton zu Kanton auch sehr verschieden.
Haben Sie eine Verbindung zum Behindertensport / zu PluSport?
Meine Mutter war lange Lehrerin am Landhof (Zentrum und Schweizerische Schule für Schwerhörige) und in meiner Freizeit war ich relativ oft da. Dort hatte es dann auch Kinder mit Beeinträchtigungen, mit einer Hörbehinderung oder anderen Beeinträchtigungen.
Aber das habe ich nicht wirklich so wahrgenommen, es war für mich einfach selbstverständlich. Erst später habe ich realisiert, dass das meine ersten Begegnungen mit Menschen mit Behinderungen waren. Ich nahm Behindertensport zuerst vor allem als Spitzensport war, z.B. durch Edith Hunkeler oder andere Athletinnen und Athleten. Als ich dann selber im Sport gearbeitet habe, beim Bundesamt für Sport, dann später auch mit dem Breitensport. Und zwar durch den PluSport-Tag in Magglingen.
Was sagt Ihnen die Thematik Integration/ Inklusion, was verstehen Sie darunter?
Mit unserer Wertevorstellung wollen wir Sport und Erlebnisse gemeinsam anbieten und fördern – und zwar für alle. Für mich braucht es deshalb keine Definition von Integration oder Inklusion. Sondern wir machen und leben das. Es gibt z.B. Vereine im Appenzell, die integrativ unterwegs sind und zusammen an der Gymnaestrada aufgetreten sind (Säntis Gym). Zusammen in einer Gemeinschaft Sport zu machen, das ist das Wichtigste und steht für mich klar im Vordergrund.
PluSport ist Mitglied beim STV – wo sehen Sie die Verbindung / Synergien / Zusammenarbeit?
Wir arbeiten jetzt schon in verschiedenen Bereichen eng zusammen, bei Veranstaltungen, mit gegenseitigen Einladungen, via Vereine oder Kantonalverbände. Ich habe bis jetzt festgestellt, dass es eigentlich keine Hürden gibt – mit Ausnahme eines Mangels an Zeit vielleicht. Es gefällt mir, dass beide Seiten offen sind und sich über die Ziele einig sind. Über die Art, wie wir gemeinsam Sport und Bewegung anbieten wollen. Das wollen wir allen ermöglichen.
Was wünschen Sie sich vom Behindertensport/ PluSport?
Weiterhin viel Offenheit in der Zusammenarbeit. Mehr davon, weiter so! Ich freue mich auf eine Schweiz, die sich sprichwörtlich bewegt, denn das ist eine bessere Schweiz. Ich bin happy über alle Akteure, die mitmachen, denn wir wollen künftig noch mehr machen. Ich finde es zudem super toll, wie aktiv PluSport ist und was alles angeboten wird.
«Es war klar, dass es Veränderungen braucht und es war klar, dass ich das anpacken muss.»