Tête-à-tête
«Wenn sie direkt auf mich zufahren, wird das Foto gut»
Marcus Hartmann sorgt für die Sichtbarkeit des Parasports. Seit über 10 Jahren steht der Augsburger Fotograf für uns auf der Rennstrecke in St. Moritz.
Marcus Hartmann, wie entsteht das perfekte Foto?
Das ist ein Zusammenspiel aus sehr viele Komponenten. Zu Beginn natürlich die Wahl des Tores, an dem die Athletinnen und Athleten an die Grenze der Physik gehen. Idealerweise sind sie auf einer Kante des Skis und kämpfen sich um die Tore. Dies ist zwar aus Sicht der Trainer und der Athlet:innen meistens nicht ganz ideal, weil eine solche Situation teilweise aus fahrtechnischen Fehlern entsteht, fürs Foto kann es aber attraktiv sein, wenn Schnee in der Luft ist. Die Perspektive spielt zusammen mit dem Hintergrund ein entscheidende Rolle für die Gestaltung. Hier zählt jeder Zentimeter, um die Details aufeinander abzustimmen. Speziell in St. Moritz mit seiner grandiose Kulissen sorgt am Nachmittag die tiefe Sonne über Silvaplana für eine ganz spezielle Stimmung…
…wie ein Gemälde?
Ja genau, die Silhouette der Rennfahrer:innen, der glitzernde Schnee und das Tal im Hintergrund – richtig kunstvoll.
Wer bestimmt, wo du dich platzieren kannst? Besonders bei Speed-Rennen, wie in St. Moritz, ist dies ja auch ein Sicherheitsaspekt?
Die richtige Position auf der Strecke ist entscheidend und meistens eine Herausforderung. Bereits während der Besichtigung überlege ich mir mögliche Fotopositionen. Dabei berücksichtige ich natürlich die Sturzräume und Falllinien, damit ich weder Athleten noch mich in Gefahr bringe. Es ist nicht immer einfach, die Balance zwischen einer attraktiven und sicheren Fotoposition zu finden. Fürs Foto ist es gut, wenn die Sportler:innen direkt auf mich zufahren, was bei einem Sturz bedeuten kann, dass er oder sie direkt auf mich zustürzt. Hier hilft mir meine jahrelange Erfahrung sowie das Vertrauensverhältnis zu den Rennchefs und Verantwortlichen. Früher gab es immer wieder mal Diskussionen, doch mittlerweile arbeiten wir hier sehr gut zusammen. Bei technischen Disziplinen platziere ich mich üblicherweise beim dritten Tor, so habe ich alle Fahrer:innen mindestens einmal vor der Linse. So entstand auch mein Instagram-Account @seeyouatgate3.
St. Moritz ist ja sozusagen dein Heimrennen und damit auch deine meistfotografierte Strecke. Seit Beginn bist du mit dabei und setzt die Para-Skifahrer:innen ins beste Bild. Was verbindet dich mit St. Moritz?
Im Sommer bin ich gelegentlich mit meinem Motorrad auf der Durchreise. Landschaftlich ist es unglaublich schön hier, die Berge, die Seen - das geniesse ich sehr! Toll im Winter ist, dass alles auf einem Südhang stattfindet. Hier haben wir immer Sonne, was im Rennsport nicht selbstverständlich ist. Es ist einfach eine unglaublich schöne Gegend.
Zurück zum Fotografieren: Wieviel Equipment hast du bei deinen Einsätzen mit dabei?
Immer viel zu viel (lacht!) Fotograf:innen tendieren dazu, Unsicherheit mit viel Technik wettzumachen - was kompletter Unsinn ist. Eigentlich braucht man nur eine Kamera mit leerem Speicher, eine gute und volle Batterie, die auch bei sehr tiefen Temperaturen durchhält und ein Objektiv, das flexibel genug ist, um Distanzen zu überwinden. Und dann schaue ich in meinen Rollkoffer und frage mich, warum da drei Kameras, vier Objektive, zwei Laptops und Stative sind. Tja, das ist normal, wenn man immer auf der sicheren Seite sein will und bei einem Defekt, der durchaus mal vorkommt, Ersatz griffbereit haben möchte. Realistisch betrachtet reichen aber eine Kamera und ein Objektiv. Wirklich entscheidend ist die Bildidee und das Timing, und das liegt nicht im Koffer.
Ein Wort zum Schluss?
Ich mag die PluSport-Crew und den Parasport. Es macht mir immer Spass, mit euch zusammen zu arbeiten. Eine tolle Partnerschaft!