Zwei Frauen bewegen sich im Zugangstunnel zielstrebig Richtung Gondel Saas Grund. Ihr Ziel ist Hohsaas, wo die Trainings für das Para-Snowboard-Team stattfinden. Eine der beiden Frauen ist Romy Tschopp. Sie rollt neben ihrer Trainerin Anja Vaes her. Wer die beiden Frauen nicht kennt denkt sicher, dass die Rollstuhlfahrerin mit dem blonden Zopf ihre Freundin begleitet und im Bergrestaurant die Sonne und die Aussicht geniesst. Was für ein Irrtum.
Romy Tschopp sprüht vor Lebensfreude. Das ist alles andere als selbstverständlich, wenn man ihre Geschichte kennt. Von den letzten sieben Jahren verbrachte sie fast vier Jahre in Spitälern und Rehabilitationskliniken. Mit einem offenen Rücken geboren, musste sie viele Operationen über sich ergehen lassen und lebt mit ständigen Schmerzen und Gefühlsstörungen. Ihre Füsse spürt die 27-Jährige praktisch nicht mehr. Aufgrund der Inkontinenz infolge ihres Geburtsgebrechens gehören ein regelmässiges Katheterisieren und ein Darmmanagement zu ihrem Alltag. Zudem trägt sie Orthesen an den Unterschenkeln und bewegt sich mit Krücken oder dem Rollstuhl.
Romy hatte das Glück, in einer sportlichen Familie aufzuwachsen. «Ich habe mich nie als handicapiert gesehen und mich immer mit Gesunden gemessen». Sie treibt Sport mit Menschen aus ihrem Umfeld. Sport baut sie physisch und psychisch auf und gibt ihr Selbstvertrauen. Dank Sport und Krafttraining kann sie viele Einschränkungen kompensieren.
Doch die vielen gesundheitlichen Probleme und Operationen und die damit verbundenen Aufenthalte in Rehakliniken führen dazu, dass sie im Regelsport nicht mehr mithalten kann. Die Symptome und Einschränkungen nehmen stark zu. «Dieser Prozess war schmerzhaft», erinnert sich Romy Tschopp. «Ich musste mir eingestehen, dass Sport in einem normalen Verein nicht mehr möglich ist.»
Mittlerweile sind Romy und ihre Trainerin Anja in der Bergstation angekommen. Das Personal kennt das Duo und nimmt den Rollstuhl entgegen. Jetzt geht es aufs Brett und einmal auf dem Snowboard angeschnallt, gibt es kein Halten mehr. Romy erklärt, dass die harten Snowboard-Schuhe als Ersatz für die Unterschenkel-Orthesen dienen und ihr ermöglichen, das Gewicht so zu verlagern, dass sie das Snowboard beherrschen kann. Ihre Trainerin hilft Romy nur auf den flachen Strecken, damit sie nicht bereits auf dem Weg zum Start zu viel Energie verbraucht
«Romy fährt richtig gut und sie ist eine Kämpferin», freut sich Anja Vaes über die Fortschritte ihrer Schülerin. Romy entgegnet, dass dies alles nur dank PluSport möglich ist. Ohne adaptierte Trainings und Rücksichtnahme auf ihre speziellen Bedürfnisse ginge es nicht. Für Romy Tschopp ist klar: «So kann ich meine Leidenschaft ausleben und empfinde grosses Glück und Dankbarkeit dabei. Auf dem Brett spüre ich das Freiheitsgefühl, welches ich im Alltag nur wenig kenne.» Wäre die Pandemie nicht gewesen, hätte Romy bereits ihr erstes Snowboard-Rennen bestritten. Was die Zukunft wohl noch bringen wird?