Wenn der 14-jährige Leo Wyder auf dem Tellerlilift steht, weiss er nicht, wann er loslassen muss. Leo ist frühkindlicher Autist mit einer geistigen Behinderung. Er kann zwar mit Hilfe Ski fahren, bremsen muss er aber noch lernen. Ohne Hilfsmittel würde Leo schnurgerade die Piste hinuntersausen.
Mit dieser Ausgangslage fuhr Leo ins PluSport-Lager nach Airolo. «Leo geht gerne ins Lager. Er ist offen dafür und freut sich auf die Situation», erzählt seine Mutter Edith Wyder. «Gleich als wir ankamen, führten wir vor Ort ein intensives Gespräch mit einer Person vom Leiterteam. Wir konnten sagen, was Leo kann, wo er Unterstützung braucht, und wir fühlten uns sofort ernstgenommen.»
Die Kommunikation mit Leo war für die Lagerleitung eine Herausforderung. Zwar spricht der 14-Jährige, doch geht er oft nicht auf sein Gegenüber ein. Auf die Frage, wie ihm das Skilager denn gefallen habe, antwortet Leo: «Ich bin ‹Bumm!› runtergefahren und mit dem blauen Bügel wieder raufgefahren.» Die Leiter mussten sich etwas einfallen lassen, damit Leo am Skilift den Bügel loslässt. «Das war wirklich das Herausforderndste in dieser Lagerwoche. Wir haben im Betreuer-Team viel diskutiert und einiges ausprobiert», erinnert sich Janna Seinet, Leos Betreuungsperson auf der Piste. Die Lösung war ein Schnee-Spray. Ein Gittermuster, das am Ende des Skilifts in den Schnee gezeichnet wurde, signalisierte Leo das Abbügeln. Dank dieser visuellen Unterstützung meisterte Leo die Aufgabe bald souverän.
Eine weitere Verbesserung konnte mit dem Hilfsmittel zum Skifahren erreicht werden. «Leos Eltern hatten uns einen Holzstab mit Seilen mitgegeben, den sie benutzen, wenn sie mit ihm auf der Piste sind», erzählt Janna, «So wird Leo von einer hinter ihm fahrenden Person gesteuert.» Damit drehte Leo aber nur die Arme. Die rettende Idee war ein elastisches «Reivo-Band», das um die Hüfte geschlungen wird. «Damit konnte ich ihn viel besser steuern. Weil die Bewegung mit dem Band aus der Hüfte kommt, konnten gemeinsam ganz tolle Bögen gefahren werden», lacht Janna. So seien sie auch das abschliessende Lager-Rennen gefahren. «Wir haben zwar nicht ganz alle Tore erwischt, aber Leo hatte unglaublich viel Freude daran.»
Für Janna Seinet, die seit acht Jahren als Leiterin in PluSport-Lagern tätig ist, war es die erste 1:1-Betreuung eines autistischen Jugendlichen. Spezielle Probleme gab es für sie aber nicht: «Wir hatten viel Spass zusammen und wenn Leo nächstes Mal wiederkommt, bin ich sicher auch mit dabei.»
Auch Familie Wyder war vom PluSport-Lager in Airolo überzeugt und wird Leo im nächstes Jahr wieder ins Skilager schicken. «Das Schönste war, dass sie sich von uns mit den Worten verabschiedet haben: ‹Dann üben wir Das und Das mit Leo›. Und ich dachte: ‹Ihr freut euch auf ihn! Es gibt ein nächstes Jahr›. Als Eltern eines autistischen Kindes fragst du dich immer: Wird das funktionieren? Können die Leiter mit ihm umgehen? Das PluSport-Team strahlte aber eine so positive Haltung aus, die wir durchaus bemerkt und geschätzt haben.»